Nachfolgender Artikel erklärt sehr gut die Entstehung von HD und OCD.

Hierin wird auch sehr gut der Zusammenhang zwischen Veranlagung und evtl. Entstehung dieser Gelenkserkrankungen und Haltung und Fütterung dargestellt.

 

Sonderdruck aus "DER HUND" Heft 11/1998

Sind Gelenkerkrankungen durch Fütterung beeinflußbar?

Degenerative Gelenkerkrankungen wie HD und OCD sind bei Hunden keine Seltenheit. Trotz erblicher Veranlagung können Haltungs- und Fütterungsfaktoren die Ausbildung und Schwere der Erkrankung beeinflussen.

Dr. med. vet. Stefan Jung/Produktmanager der Chasser AG

Hunde aller Altersklassen können degenerative Gelenkerkrankungen ausbilden. Auch aus Gründen des Tierschutzes sollte der für einen Hund Verantwortliche alles (mit vernünftigem Aufwand) Mögliche unternehmen, um ihn vor derartigen chronisch-degenerativen, schmerzhaften und die Lebensqualität einschränkenden Erkrankungen zu schützen. Züchter sog. disponierter Rassen, die Wert auf einen guten Namen legen, und Hundesportler, die möglichst lange Freude an ihrem Tier haben möchten, sollten sich mit den Zusammenhängen zwischen der Entwicklung degenerativer Gelenkerkrankungen und den Ansätzen zu deren Verhinderung beschäftigen.

In der tierärztlichen Praxis stehen seit Jahren zunehemend zwei degenerative Erkrankungen der Gelenke im Vordergrund, die in überwiegender Zahl (großwüchsige) schwerge Hunde betreffen und deren ursächliche Entstehung ähnlich ist: die Hüftgelenksdisplasie (HD) und die Osteochondrosis dissecans (OCD). Der Hauptteil dieses Beitrages soll der Besprechung der HD dienen,  da sie häufiger auftritt als die OCD.

Anatomische Grundlagen

Bevor wir auf die Krankheiten und die Entstehung eingehen, müssen wir einige Grundlagen besprechen, ohne die ein Verständnis der Krankheiten nur unvollständig möglich ist. Der Knorpel (Abb. 1) ist ein elastisches, mehrschichtiges Gewebe, das aus Knorpelzellen (Chondrezyten), Bindegewebsfibrillen

(Kollagenfasern) und Grundsubstanz (Matrix) besteht. Die Verkalkungszone enthält wenige Zellen, sitzt direkt der knöchernen Oberfläche auf und ist mit dieser verzapft. Diese Verzapfung soll verhindern, daß der Knorpel bei Belastung vom Knochen abschert. Zu diesem Zweck haben die Zellen in der Verkalkungszone Rezeptoren für Vitamin D3, mit deren Hilfe sie Kalzium anreichern und ihre Verzapfung selbst steuern können. Die mittleren Zonen (Radlärzone, Übergangszone) enthalten große Mengen Zellen, Bindegewebe und Matrix. Diese Zonen wirken wie ein Wasserkissen, das die großen Lasten, die auf die Knorpeloberfläche einwirken, aufnehmen und verteilen kann. Die am nächsten zum Gelenkspalt liegendeTangentialzone zeigt besondere Bindegewebsstrukturen wie parallel zur Oberfläche ausgerichtete Fibrillen, wodurch das Knorpelgewebe zum Gelenkspalt hin begrenzt wird.

Funktional stellt sich ein Gelenk als flexible Verbindung zweier Knochen dar. Gelenke bestehen aus den Knochenenden mit der knorpeligen Knochenauflage sowie teilweise aus den internen bindegewebigen Bandapparat, der die Knochenenden unmittelbar zusammenhält und von innen stabilisiert. In den Hohlräumen der Gelenke befindet sich die sog. Gelenkschmiere (Synovia), die für ein gutes Gleiten der Knorpelflächen sorgt und darüberhinaus wertvolle Nährstoffe für die Knorpelzellen bereitstellt. In den großen Gelenken (z.B. Hüftgelenk) finden wir den "hyalinen" Knorpel, der sich durch einen besonders hohen Wassergehalt auszeichnet; umgeben sind die großen Gelenke jeweils von einer Gelenkkapsel, Muskeln und Sehnen stabillisieren das Gelenk schließlich von außen. Den "Faserknorpel" finden wir besonders in den Bandscheiben (Wirbelsäule).

Erkrankungen der Gelenke

Die Hüftgelenksdysplasie (HD)

Die HD des Hundes ist eine Erkrankung, die besonders große, schwere Rassen, zunehmend  jedoch auch mittelgroße betroffen sind. Seit vielen Jahren versuchen Züchter, Zuchtverbände und Tierärzte gemeinsam das zunehmende Auftreten dieser Erkrankung einzudämmen. In diesem

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Bemühen wurden vielfältige Lösungsansätze aus mehr oder weniger kundigem Munde formuliert - Tatsache ist, daß die HD nach wie vor bei bestimmten Rassen die häufigste Erkankung ist (Tab. 1). War man früher der Meinung, HD sei ein primär genetisch bedingtes Problem, so zeigt sich heute, daß die Ausbildung einer HD durch mindestens einen weiteren Themenkomplex bestimmt ist: durch die (Fehl-)Ernährung des Hundes! Unphysiologische Bewegungsarten (z.B. Hürdensport) scheinen eine untergeordnete Rolle zu spielen. Zu welchem Prozentsatz der jeweilige Themenkomplex an der Ausprägung der HD beteiligt ist, wird kontrovers diskutiert. Die Autoren Hazewinkel und Wiegand geben für die genetischen Faktoren 20-50 % an, andere Faktoren können eine HD also zu 50-80 % begünstigen. Wenn wir von der Ausbildung einer Krankheit sprechen, müssen immer 2 Begriffe, die sich gegenseitig beeinflussen, berücksichtigt werden: (Prä-)Dispositon und Kondition. Unter einer Disposition verstehen wir die Stime der von den Eltern ererbten Anlagen, sie sind naturgemäß gegeben. Unter der Kondition verstehen wir die Summe aller erworbenen Eigenschaften. Eine schlechte Kondition (z.B. durch ungesunde Ernährung kann, muß jedoch nicht, langfristig eine gute Disposition zerstören. Bekannt ist jedoch die Tatsache, daß Tiere mit einer Disposition (ein oder beide Elternteile können diese vererbt haben) eher die disponierte Eigenschaft (z.B. HD) ausbilden als Tiere ohne Disposition. Der Themenkomplex der Erbanlagen läßt sich relativ einfach absichern, indem man als Züchter oder Käufer eines Hundes darauf achtet, daß idealerweise beide Elterntiere HD-frei oder mit geringgradiger HD klassifiziert sind. Diese Klassifizierung wird mittels in der Aufnahmetechnik standardisierten Röntgenaufnahmen durchgeführt. Neben der Radiologie sollte die Untersuchung auf HD auch immer die Beurteilung der "Straffheit" des Gelenkes einschließen. Eine HD zeigt sich anatomisch dadurch, daß Gelenkpfane und Oberschenkelkopf inkongruent sind, also nicht korrekt zueinander passen. Bei der Beurteilung einer Röntgenaufnahme stehen folglich die Beurteilung der Kongruenz der Gelenkflächen der Hüftpfanne und des Oberschenkelkopfes (Abb. 2), sowie das Messen des sog. "Norberg-Winkels" im Vordergrund. Der zweite Themenkomplex, die (Fehl-)Ernährung, trägt nach heutiger Erkenntnis zu einem großen Teil zur Ausbildung einer HD bei.

 

Die meisten Autoren sehen hauptsächlich 3 Fütterungsfehler als relevant an:
  • Überernährung (Energie und Nährstoffe)
  • Kalziumüberversorgung und/oder
  • zu hohen Vitamin D3-Gehalt des Futters

Bei derartigen Ernährungsfehlern kann auch eine gute Disposition die Ausbildung einer HD nicht verhindern. Erwachsene Hunde, die ihre Tagesration in Form hochkalorischen Futters zu sich nehmen, fallen meist durch übermäßige Gewichtszunahme auf, werden träge und entwickeln möglicherweise später Organ- oder Stoffwechselkrankheiten, die auf das Übergewicht zurückzuführen sind. Anders verhält es sich beim (disponierten) Welpen: Das Hüftgelenk des neugeborenen Hundes besteht zunächst aus Knorpel. Die Verkalkungsprozesse, durch die das fertige Gelenk entsteht, das Längenwachstum der Knochen und die Gewichtsentwicklung sind von Natur aus aufeinander abgestimmt. Eine energiereiche Fütterung führt zu schnellerer Gewichtszunahme, die besonders die in der Reifung befindlichen Gelenke mit ihren elastischen Knorpeln zu schädigen beginnt, auch wenn die Welpen "gesund aussehen".

 

Folglich entwickelt sich eine HD nicht spontan, sondern in den ersten 15 Lebensmonaten des Hundes. Ein anderer Faktor für die Ausbildung einer HD ist die übermäßige Verabreichung von Kalzium oder Kalziumverbindungen (Welpenkalk). Die Zufütterung von Welpenkalk ist nur bei "Hauskost" oder rachitischem Krankheitsbild angezeigt. Fertigfutter für Welpen sind meistens entsprechend bilanziert. Es kommt darüber hinaus nicht nur auf den absoluten Kalziumgehalt des Futters an, zu berüchsichtigen ist ferner ein evtl. Gehalt an Vitamin D3, welches die Aufnahme von Kalzium in den Körper erhöht. Zu hohe Kalzium-Blutspiegel ziehen beschleunigte Knochenumbauprozesse nach sich, die meist in mangelnder Mineralisierung ("dünne", brüchige Knochen) enden. Zudem sollten auch noch Einflüsse durch einen ernährungsbedingt veränderten Säuren-Basen-Haushalt oder das übermäßige Vorhandensein bestimmter Ionen, z.B. Natrium, Kalium, Chlorid, genannt werden. Bei der HD des jungen Hundes sind zwei verschiedene Krankheitsbilder beschrieben. Hunde bis ca. 15 Monate zeigen häufig eine plötzliche Bewegungsunlust und Schmerzhaftigkeit der (betroffenen) Hintergliedmaße, stehen mühsam auf und bewegen sich ungern. Die Muskulatur der Hintergliedmaße ist schwach entwickelt, sie kann dem Knochenwachstum nicht folgen, deshalb muß die gesamte Belastung von den großen Gelenken abgefangen werden, wodurch der Knorpel überbelastet wird. Obwohl röntgenologisch noch nicht nachweisbar, nehmen die  Veränderungen durch Überbelastung des Knorpels in Form von Mikrofissuren (kleine Risse) und ersten Vernarbungen ihren Lauf. Bei älteren Hunden mit röntenologisch nachweisbarer HD fällt meist eine Lahmheit nach größerer Belastung auf, sie zeigen eine typische Stellung der Hinterbeine mit mehr oder weniger nach innen gedrehten Sprunggelenken, einen watschelnden Gang, sowie teilweise eine Schonhaltung im Stand (Abb. 3). Bei diesen Tieren führte die Fehlbildung des Hüftgelenks zu chronischen punktuellen Überbelastungen des Knorpels mit verstärkten Abnutzungserscheinungen (Fissuren und Narben), die sich in Entzündungen und Schmerzen äußern und die Inkongruenz zusätzlich vergrößern.In beiden Fällen ist der Gelenkknorpel der Belastung nicht gewachsen, er bekommt zunächst kleine, später größere Risse (Fissuren), die sich entzünden und vernarben. Da diese vernarbten Bezirke funktional minderwertig sind, reißen sie weiter ein, und ein Substanzverlust resultiert. Oft lagern sich in diesen entzündeten Bezirken Kalziumsalze an, die zur Bildung sog. "Nasen" führen; diese knöchernen Nasen sind erhaben und härter als die gegenüberliegende Knorpelfläche, so daß diese auch zerstört wird.

Die Osteochondrosis dissecans (OCD)

Die Entstehung der OCD ist multifaktoriell und derjenigen der HD sehr ähnlich, deshalb soll hier nur das Krankheitsbild besprochen werden. Die OCD tritt meist im Ellbogengelenk großer Rassen auf. Sie betrifft fast ausschließlich Junghunde. Meist werden die Tiere im Alter von 4 - 8 Monaten auffällig, die Lahmheit beginnt spontan oder nach einem Trauma.  Die Ursache sind Mikrofissuren, die tiefer werden. Im Gegensatz zur HD kommt es jedoch zur Absprengung eines größerenKnorpelteils, welches dann in das Gelenk hineinragt.

Fütterungstechnische Möglichkeiten

Die richtige Zusammenstellung der Ration

Eine allgemein gültig richtige Ration gibt es nicht. Der Energiebedarf eines Hundes hängt von der Rasse, dem Alter und der körperlichen Betätigung ab. Die käuflichen Fertigfutter sind in der Regel auf bestimmte Alters- oder Gewichtsklassen zugeschnitten und werden, richtig eingesetzt, normalen Bedürfnissen gerecht. Da auch Hunde ein abwechslungsreiches Futter lieben, kan ein solches Spezialfutter mit Magerquark, gekochtem Reis, Haferflocken oder Gemüse gestreckt werden; die Gehalte an Vitaminen und Mineralstofen sind in der Regel dann immer noch ausreichend. Ausschließlich mit "Hauskost" versorgte Tiere zeigen häufig Unterversorgung mit Mineralstoffen und Spurenelementen, woraus sich ebenfalls Entwicklungsstörungen des Skelettes entwickeln können. Auf Anfrage nehmen die Institute für Tierernährung der Tierärztlichen Universitäten eine Rationsbeurteilung vor. Dies ist zu empfehlen, wenn elternseitig eine HD-Disposition vorliegt oder der Tierarzt sich unsicher fühlt.

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Zusammenfassung

Neben der Genetik hat die Ernährung des Junghundes entscheidenden Einfluß auf die Ausbildung degenerativer Gelenkerkrankung. Besonders muß die Überernährung, die Kalziumversorgung und die Vitamin D3-Aufnahme beachtet werden, denn schwere Skelettschäden aus der Welpenzeit begleiten den Hund ein Leben lang und sind häufig nur noch chirurgisch korrigierbar.

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